17. 10. / 25. 11. 2018
Wiege des Wiener Bergsteigertums
(aus dem Buch "Wiener Hausberge" von H. Peterka und W. End)
"Vorbei für immer sind die Tage, in denen die "pittoresken Keilwände" als undurchsteigbar angesprochen wurden. Damals war das Klettern im Fels ein allgemein unbekannter Begriff. Nur ganz wenige Wiener betrieben diesen neuen Sport, darunter August von Böhm und Josef Aichinger, die gemeinsam am Matterhörndl, einen Felsen im Anningergebiet, auf sieben verschiedenen Anstiegen zu ersteigen vermochten, was als respektable Leistung galt.
Bei diesem Matterhörndl lernten sie zwei hagere Bürschlein kennen, die ebenfalls kletterten, und zwar so gut, dass August von Böhm ganz überrascht war und fragte: "Wo habt ihr dies gelernt?" "Nirgends - das steckt in uns!" antwortete einer der Burschen. Ein Jahr später (1878) standen diese Gebrüder Emil und Otto Zsigmondy gemeinsam mit August von Böhm an der Spitze des jungen Wiener Bergsteigertums.
Zu dieser Zeit tauchte in den Wiener Tageszeitungen die Nachricht auf, dass die "Keilwand rechts der Dampflucke" (Bärenloch) durchstiegen worden sei. Diese Tat hatte Daniel Inthaler, der junge Schwiegersohn der Binderwirtin im Reißtal vollbracht, der ebenfalls "den Hang zum Klettern verspürte". Kaum war der erste Widerhall dieser "verwegenen Tat" verklungen, als August von Böhm und die beiden Zsigmondys anrückten, um sie zu wiederholen. Selbstverständlich mit Daniel Inthaler, der den Weg zur Höhe wusste. Dies war am 6. Oktober 1878, und dieser Tag kann als der Geburtstag der extremen Wiener Bergsteigerei gelten. Zugleich bekam dieser "Zerbenriegelsteig" einen neuen Ausstieg ("Wilder Zerbenriegelsteig"). Im Jahr darauf, am 10. August 1879, erfolgte seine zweite touristische Begehung durch den jungen Heinrich Heß und seinen Gefährten, gleichzeitig eröffnete Friedrich Eckstein einen neuen Anstieg ("Alpenklubweg", 1879), dem wieder ein Jahr später (1880) der "Danielsteig" durch Daniel Inthaler folgte. Und bald galt nicht mehr, was Emil Zsigmondy einst am Zerbenriegelsteig, oben beim Schluchteingang und am Beginn des Wilden Zerbenriegels mit Minium an die Wand geschrieben hatte: "Nur für die Elite der Felsensteiger", denn die Elite hatte zugenommen und besaß schon über ein Dutzend "Felsenklimmer"."
Außerdem wurde dieser schwierigere Ausstieg des Zerbenriegelsteigs schon nach kurzer Zeit mit vier Eisenstiften versichert, von denen noch zwei erhalten sind, die dabei die schwierigste Stelle aber nicht mehr erleichtern. Diese stellt sich nicht etwa als genussvolle Dreier-Passage dar, wie man aus alten Führerwerken vermuten würde, sondern als steile, mit herkömmlichen mobilen Sicherungen nicht absicherbare 4er-Kletterei - wenn auch nur kurz. Mehrere Schlingen und ein Karabiner zeugten vor der Schlüsselstelle von Rückzügen - jetzt stecken einige Normalhaken von uns in dem kurzen Wandl (fast schon übernagelt, aber ein Bodensturz sollte auch bei Ausbruch eines Hakens vermieden werden) und ein Buch wurde am oberen Felshaken-Stand in einer etwas widerspenstigen Steigbuchkassette hinterlegt. Für die Begehung ist die Mitnahme von 6 Expressschlingen und eines 50 Meter Halbseils (doppelt genommen, Halbseiltechnik) sowie vorzugsweise Kletterschuhen empfehlenswert. Viel Spaß den Begehern dieser altehrwürdigen Route, die im Winter wahrscheinlich fast noch reizvoller ist!